Molekulare Mechanismen (von Dr. med. Stephan Bortfeldt in einer Arbeit für OM & Ernährung 2016)
Die Fähigkeit zur Perzeption und Reaktion auf Veränderungen des Sauerstoffangebots sind eine fundamentale Eigenschaft aller Metazoen. Die Entdeckung des Transkriptionsfaktors HIF-1α (Hypoxia-Inducible Faktor-1-α) brachte die Erkenntnis, dass das die Hydroxylierung dieses Proteins der Mechanismus ist, durch den die Veränderungen des Sauerstoffangebots zu einer Veränderung der genetischen Prolyl-Hydroxylase gehemmt, es kommt zur Anreicherung dieses Proteins, der Bildung aktiver HIF-Dimere und zur Aktivierung von Zielgenen. HIF 1-α kumuliert instantan unter Hypoxie und wird genauso schnell unter Einfluss von Sauerstoff abgebaut. Die kürzere Halbwertzeit im posthypoxischen Gewebe beträgt >5 min, inklusive der Zeit, die der Sauerstoff zum diffundieren ins Gewebe benötigt [10, 11]. Im isolierten Gewebsmodell beträgt die Halbwertzeit nach Reoxygnierung <1 min. Bisher wurde kein Protein gefunden, das eine kürze Halbwertzeit hat [12]. HIF-1-α wurde in allen Metazoenspezies gefunden, vom Caenorhabditis elegans bis zum Homo sapiens, ein Hinweis dafür, dass das Vorhandensein dieses Proteins ein esssentieller Adaptationsmechanismus in der Evolution der Metazoen war. Inzwischen sind über 70 Gene bekannt, die durch HIF 1-α aktiviert werden können.
Kontrollierte Hypoxie führt zu einer Veränderung der Aktivität der Atmungskette in den Mitochondrien, jedoch ohne das zu einer nennenswerten Reduktion der ATP-Produktion kommt, allerdings steigt die Menge der freien Superoxidanionen und damit der oxidative Stress [13]. Ein durchaus gewünschter Effekt, der die antioxidativen Schutzsysteme des Körpers stärkt. Dieser Effekt ist bei einem Protokoll mit Hypoxie/Hyperoxie noch ausgeprägter.
Zu den wichtigsten Genen, die durch HIF-1α codiert werden, gehören Substanzen wie das Erythropoetin und die Wachstumsfaktoren der Angiogenese (VEGF). wodurch es zu einer deutlichen Verbesserung der Sauerstoffversorgung im Gewebe kommt [6].
Diese und andere Effekte führen zu einer verbesserten myocardialen Ischämietoleranz und Schutz vor ischämieinduzierten Reperfusionsschäden [14]. Ebenso beinhaltet die Adaptation an Hypoxie die Regulation der Stickoxid(NO)-Synthese mit Korrektur der NO-Speicher und Hemmung einer Überproduktion die eine Bildung toxischer RNS (Nitrosativer Stress) zur Folge hat [15].
Die vermehrte Bildung von Laktat aus Glukose unter Hypoxie ist unter dem Begriff Pasteur-Effekt lange bekannt. Darüber hinaus führt die Aktivierung der Pyruvatdehydrogenasekinase 1 (PDK1) über eine Hemmung der Pyruvatdehydrogenase zu einer verminderten Acetyl-CoA-Bildung und damit weniger Substrat für den Citratzyclus. Die daraus resultierende Abschwächung der oxidativen Phosphorylierung reduziert die Bildung der durch die Hypoxie vermehrten ROS-Bildung [16].
Superoxiddismustase und Glutathionperoxidase sind die wichtigsten Antioxidantien, die der Organismus zum Schutz vor ROS und anderen oxidativen Prozessen benötigt. Auch hier konnte gezeigt werden, dass kontrollierte Hypoxie die Synthese stimuliert [19]. Hierdurch entsteht ein Trainingseffekt. Die hypoxieinduzierte ROS-Bildung setzt einen oxidativen Stressreiz, die Erhöhung der SOD- und Glutathionperoxi- dasespiegel kann langfristig die Zellen vor oxidativer Schädigung schützen.
Mitochondropathien mit reduzierter ATP-Produktion sind die wesentliche Ursache für zahlreiche chronische Erkrankungen vor allem im Nervensystem, aber auch kardiovaskuläre, metabolische und Tumorerkrankungen sind durch ein Versagen der mitochodrialen ATP-Produktion gekennzeichnet. Die kontrollierte Hypoxie induziert die Apoptose vor allem geschädigter Mitochondrien [20], während gesunde Mitochondrien repliziert werden und die Zellen mit Energie versorgen. Der Zellstoffwechsel wird also reprogrammiert.
Dieses Verfahren ist einzigartig und neben den vielen genannten molekularen Mechanismen der wesentliche Grund für den Erfolg der Therapie, besonders in der Behandlung von ausgeprägten Mitochondropathien, wie z.B. dem Chronic fatigue Syndrom (CFS) oder kardiovaskulären Erkrankungen.
Die Kombination aus Hypoxie und Hyperoxie führt zu einem schnelleren Abbau des HIF-1-α, einer verbesserten Antioxidantiensynthese, und damit zu einer Vermeidung unerwünschter Hypoxieeffekte [21].
Es ist also die Aufgabe, die Balance zwischen toxischer und therapeutischer Dosis zu finden. Durch die intensive Forschung der vergangenen Jahrzehnte sind wir mittlerweile in der Lage Therapieregime zu generieren, bei denen negative Folgen ausgeschlossen werden können.